Hans Thoma 1839-1924. Beseelte Natur
Er wurde einst zum „Lieblingsmaler des deutschen Volkes“ erklärt. Hans Thoma war zu Lebzeiten einer der bekanntesten und erfolgreichsten Künstler Deutschlands. 1924 starb er hochbetagt in Karlsruhe, wo er mehr als dreißig Jahre seines Lebens verbrachte. In seinem 100. Todesjahr erinnert die Wessenberg-Galerie an den bedeutenden Künstler.
Hans Thomas künstlerische Anerkennung stellte sich erst spät ein. Der 1839 in Bernau geborene Künstler war bereits 51 Jahre alt, als ihm 1890 eine Einzelausstellung im Münchener Kunstverein den lang ersehnten Durchbruch bescherte. Nach zwei abgebrochenen Lehren als Lithograf und Anstreicher in Basel und Uhrenschildmaler in Furtwangen erhielt er 1859 ein Stipendium an der neugegründeten Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe. Vierzig Jahre später wurde er dort durch Großherzog Friedrich I. von Baden zum Professor berufen und zugleich zum Direktor der Kunsthalle Karlsruhe ernannt. Trotz des hohen Amtes, das er erst 1919 im Alter von 80 Jahren niederlegte, war er künstlerisch äußerst produktiv: Bis zu seinem Tod schuf er nicht nur fantastische Neuinterpretationen mythologischer und christlicher Motive, sondern auch heimatliche Landschaftstücke des Schwarzwalds, des Taunus-Gebirges und der Oberrheinebene, die ihn zum nationalen Malerstar werden ließen. Mit seinen der Zeit enthobenen Bildern bediente er als Gegenentwurf zur rasant fortschreitenden Modernisierung und Industrialisierung die Sehnsucht seiner Zeitgenossen nach einem ursprünglichen Leben im Einklang mit der Natur. Als künstlerisch besonders fruchtbar erwiesen sich Thomas erste Italienreise 1874 und die Freundschaft zu Arnold Böcklin, den er Anfang der 1870er-Jahre kennenlernte.
In der Kunstwelt bereits etabliert, wandte er sich in den 1890er-Jahren dem für ihn bis dato unerforschten Gebiet der Druckgrafik zu. Mit großer Experimentierfreude erlangte er auch in diesem Feld beeindruckende Souveränität und technische Meisterschaft. Hans Thomas kaiserzeitliche Popularität und seine eigenen nationalkonservativen Haltungen führten posthum zu einer Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten, die ihn als vermeintlich urdeutschen Heimatmaler verklärten. Hinzu kommt, dass Thoma in privaten Briefen zuweilen Anschauungen eines politischen Antisemitismus geäußert hatte und so für den Nationalsozialismus anschlussfähig erschien. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er zunehmend in Vergessenheit. Sein Werk rückte erst in den letzten Jahren in den Fokus einer kunstgeschichtlichen Neubewertung.
Im Jahr 2020 gelangten knapp 120 Grafiken von Hans Thoma durch Schenkung in die Sammlung der Wessenberg-Galerie. Sie spiegeln die Vielfalt seines druckgrafischen Schaffens und bilden den Grundstock der Ausstellung. Werke seiner Schüler, u.a. von Emil Rudolf Weiss, Karl Hofer und Otto Marquard runden die Präsentation ab.
BLAU - Faszination einer Farbe
Blau ist für viele die schönste aller Farben, eine Lieblingsfarbe, die auch in der bildenden Kunst einen besonderen Platz einnimmt und als bedeutungsreiches Faszinosum inspiriert. Nun widmet ihr die Städtische Wessenberg-Galerie eine exklusive Ausstellung. Die Schau vereint die eindrucksvollsten blauen Kunstwerke der Sammlung und entführt mit rund 80 Werken aus dem 19. Jahrhundert, der Romantik und des Biedermeiers sowie Schätzen des Expressionismus, der Abstrakten Malerei und der zeitgenössischen Kunst in die reiche Kunst- und Kulturgeschichte dieser Farbe.
Diese beginnt im Abendland mit der christlichen Kunst, wo vor allem der ewig blaue Mantel der Maria einen besonderen Blickfang darstellt. Sein Blau geht auf einen rätselhaften blauen Purpur der Bibel zurück. Irdische Menschen mussten sich mit Indigo begnügen, dem einzigen lichtechten Pflanzenfarbstoff für Blau. Im 18. Jahrhundert wurde dieser auch in Konstanz industriell verarbeitet (Familie Macaire), dann ab 1887 synthetisch hergestellt, so dass zunehmend alle Bevölkerungsschichten bis hin zu den Soldaten und Arbeitern blaue Textilien trugen. Hierbei kommen emotionale und moralische Aspekte hinzu, die Blau als kalte und asexuelle Farbe zeigen, die seit dem Mittelalter als Symbol der Treue galt. So wurden im 19. Jahrhundert Frauen häufig in einem keuschen und sittsamen Blau dargestellt, ursprünglich auch die Mädchen, bevor um 1850 der Matrosenanzug Blau als genuin männliche Farbe etablierte.
Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bilden Landschaften, die Blau als immaterielles Naturphänomen schildern. Mit Hilfe der Luftperspektive öffnet das Blau die Bilder in eine suggestive Fernlandschaft. Der Romantik diente diese Sicht als Ausdruck ihrer Naturseligkeit und anderer Sehnsüchte. Besonders stimmungsvoll sind Stadtansichten, die die Magie der Blauen Stunde einfangen und besinnliche Gefühle ausmalen. Solche Bilder, wie auch die Nachtstücke (Nocturni), sind oft von einem melancholischen Mondlicht erleuchtet. Lebensfroher erscheinen die taghellen Seestücke (Maritimes), die oft den Bodensee zeigen. Hier regiert das ewige Blau von Himmel und Wasser, das heute vor allem für Freizeitvergnügen steht, sich aber auch als Sehnsucht nach Frieden und Freiheit empfinden lässt.
Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem „Museum für die Farbe Blau“ in Schwetzingen. Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft.
Im Fremden zu Hause. Peter Diederichs & Anna Diederichs
Die Städtische Wessenberg-Galerie widmet mit „Im Fremden Zuhause. Peter Diedrichs & Anna Diederichs“ dem Konstanzer Künstlerpaar eine facettenreiche Ausstellung, die anhand von etwa 70 Werken ihr vielseitiges Lebenswerk beleuchtet.
Peter Diederichs, geboren 1923 und gestorben 1982 in Konstanz, zählt zu den bedeutendsten bildenden Künstlern der Region. Seine künstlerische Laufbahn begann als Theatermaler am Stadttheater Konstanz, bevor er durch den Karlsruher Künstler Willi Müller-Hufschmid in die moderne Malerei eingeführt wurde. Es entstanden in der Folge farbgewaltige Gemälde in Tempera, Öl und anderen Techniken.
Ein bedeutender Aspekt seines Schaffens war auch die Kunst am Bau. In den 1950er- und 1960er-Jahren schuf Diederichs zahlreiche Mosaikarbeiten und Wandreliefs für öffentliche und sakrale Bauten, vor allem im Raum Singen.
Ab den 1960er Jahren fand Diederichs zur Bildhauerei. Seine Skulpturen und Reliefs sind oft von einer ironischen und grotesken Ästhetik geprägt, die den Betrachter in eine vielschichtige Welt zwischen Realität und Fantasie entführt. In seinen mythischen Skulpturen in Bricolage-Technik verwebt er antike Mythen, barocke Elemente und moderne Abfallprodukte der Zivilisation zu faszinierenden Kunstwerken. Er kombinierte Materialien wie Holz, Polyester, Brokat und Metall und schuf Werke, die uns auf den ersten Blick fremd vorkommen und Fragen nach der Bedeutung und dem kulturellen Kontext aufwerfen. Sie lassen sich nicht einfach erfassen, sondern fordern zum sorgfältigen Hinschauen auf, führen in die Irre. Auf den zweiten Blick eröffnen sich die dahinter versteckten Mythen, die diversen Verwandlungen und historischen Brechungen unterzogen wurden. „Ich bin der Meinung, dass in der Kunst etwas gezeigt werden muss wie in einer Schaubude“, so Diederichs. Er fordert uns dazu heraus, eine eigene Geschichte in den Werken zu lesen und verdeutlicht, dass die Sinngebung oft eine persönliche und durch Fremdeinflüsse manipulierte Angelegenheit ist.
Anna Diederichs, Peters zweite Ehefrau und Weggefährtin, erweist sich in dieser Ausstellung als seine gleichwertige künstlerische Partnerin. Zunächst als Textildesignerin in Paris tätig, erweiterte sich ihr künstlerisches Schaffen später auf Wandbehänge und andere vielschichtige textile Objekte sowie Zeichnungen und Aquarelle. Ihre Arbeiten konzentrieren sich auf den Dialog zwischen dem Menschen und seiner Umgebung und greifen ebenfalls kuriose Elemente auf, jedoch in einer anderen, subtileren Formsprache. Die Ausstellung versammelt Stoffentwürfe für Pariser Modeateliers, zahlreiche ornamentale Zeichnungen und Schaukästen, die uns in fremdanmutende Welten einladen.
Die Ausstellung „Im Fremden zu Hause“ zeigt, wie beide Künstler*innen auf jeweils eigene Weise und doch immer miteinander im Austausch unverwechselbare künstlerische Positionen entwickelten. Sie lädt dazu ein, sich mit den komplexen Fragen nach Fremdheit und Vertrautheit auseinanderzusetzen – Themen, die heute aktueller denn je sind.